Der Aufschwung breitet sich aus - von Alfons Cortés

Dieser Beitrag erschien zuerst am 21.12.2023 auf TheMarket.ch

In den letzten sechs Wochen haben sich Momentum und Marktbreite deutlich verbessert. In meinem Beitrag vom 9. November ging ich von einem mehrmonatigen Aufschwung aus, den ich als sekundären Aufwärtstrend im Rahmen primärer Seitwärtstrends in den breiten Indizes klassifizierte.

Seither hat der MSCI Welt 8,6% zugelegt. Eindrücklicher als diese Zahl ist die Zunahme der Marktbreite, und zwar dergestalt, dass ich die laufende Erholung als eine Rückkehr des MSCI Welt in seinen primären Aufwärtstrend einstufe.

Was die Marktbreite aussagt

Zuerst ein paar Worte zur Marktbreite. Sie ist ein Strukturmerkmal, weil an ihr die Handlungsattribution abgelesen werden kann.

Kurz gesagt bedeutet eine Marktbreite von mehr als 50% über alle Marktsegmente, dass die Handlungsursache darin liegt, dass die makroökonomischen Umstände als grundsätzlich positiv für die Anlageklasse Aktie angesehen werden.

«Alle Marktsegmente» bedeutet die Fächerung, wie sie in den zahlreichen Indizes vorkommt, zum Beispiel nach Regionen, Ländern, Unternehmensgröße, Sektoren und Industrien.

Die Messung der Marktbreite erfolgt über die proprietären Unifinanz-Ratings. Darin spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, insbesondere Momentum und Volatilität. Letztere kann unter Umständen dazu führen, dass sehr positives Momentum negativ und sehr negatives Momentum positiv eingestuft wird.

Wenn die Handlungsursache in den makroökonomischen Umständen liegt, sind Trends viel robuster, als wenn vorwiegend oder fast wegen der einzelnen Unternehmen gehandelt wird. Das liegt daran, dass krasse Überraschungen in den Makrodaten seltener sind als «Unfälle» in einzelnen Branchen – wie zum Beispiel den US-Banken im März dieses Jahres – oder enttäuschende Meldungen aus einzelnen Unternehmen.

Wir bei Unifinanz messen die Marktbreite wie angetönt global und regional für alle Sektoren und Industrien und regional sektorübergreifend an allen wirtschaftlich bedeutenden Finanzplätzen.

Divergenzen werden eingeebnet

Die Marktbreite kann auch dargestellt werden durch die Gegenüberstellung von kapitalgewichteten und gleich gewichteten Indizes. So wird angezeigt, ob Größe ein definierendes Präferenzmerkmal ist oder nicht.

 Um es kurz zu fassen: Die durchschnittliche Marktbreite aller Sektoren hat in den letzten sechs Wochen von 38,5 auf 58,2% zugenommen. Das bedeutet, dass 58,2% der in den elf Sektoren erfassten Aktien positive Unifinanz-Ratings aufweisen.

Rückschlüsse erlaubt auch der Spread zwischen der höchsten und der tiefsten Marktbreite in den einzelnen Sektoren. Vor sechs Wochen betrug diese Zahl 3,87, mittlerweile ist sie auf 2,17 geschrumpft. Die Divergenz zwischen dem strukturell besten und dem strukturell schlechtesten Sektor hat sich reduziert. Da die besten nicht sehr viel Spielraum nach oben haben – ihre Marktbreite liegt bereits zwischen 70 und 80% – zeigt diese Zahl, dass bislang strukturell schwache Sektoren neuen Zuspruch finden, die sehr viel Spielraum nach oben haben.

Eine strukturelle Verbesserung hat sich auch nach regionaler Betrachtung eingestellt. In Nordamerika ist die Marktbreite in der hier diskutierten Zeit von 35 auf 61,1% gestiegen, in Europa von 27,2 auf 60,4% und in Asien-Pazifik stagniert sie bei 55%. Das ist nicht weiter auffällig, weil Asien-Pazifik unter Führung Japans derzeit konsolidiert, während die anderen Regionen aufholen.

Ideal sind Werte zwischen 70 und 80%. Wir sind also noch ein Stück weit davon entfernt, aber die Richtung stimmt.

Amerika prescht vor

Da ein Bild oft mehr sagt als tausend Worte, zeige ich zwei Bilder:

 Quelle: Tai-Pan (Lenz + Partner), Unifinanz

 Quelle: Tai-Pan (Lenz + Partner), Unifinanz

Beide Grafiken zeigen in «Kerzen» den S&P 100, dunkelblau den S&P 500, rosarot den Nasdaq 100, grün den S&P 400 Midcap, orange den S&P 600 Smallcap und dunkelrot den S&P 500 Equal Weighted.

Die erste Grafik zeigt die Entwicklung der letzten 52 Wochen, die zweite jene seit dem 9. November.

Die Konvergenz verschiedener Indizes der gleichen Region findet erst in den USA statt. Der Markt hat allerdings ein Gewicht von rund 70% im Weltindex. Überdies sind die New Yorker Indizes nach wie vor sehr einflussreich, und die Macht von Uncle Sam ist selbst auf Krücken nicht zu unterschätzen.

Die folgende Grafik habe ich schon mehrfach gezeigt, erstmals am 17. März 2022:

 Quelle: Tai-Pan (Lenz + Partner), Unifinanz

 Sie stellt den MSCI Welt seit dem 31. Dezember 1969 dar. Jede Kerze repräsentiert ein Quartal. Das Bollinger-Band ist ein 20-Quartals-Band.

Diese Grafik ist ein Mahnmal, sich im Zweifelsfalle auf die Seite der Bullen zu schlagen. Ich habe sie jeweils verwendet, um zu illustrieren, welche Entwicklung ich ungefähr erwarte: Jene im gelb markierten Raum von März 1990 bis Juni 1993.

Die Gegenwart ist optimistischer

Die gegenwärtige Verfassung der globalen Aktienmärkte gibt mir Anlass, meine Erwartung zu revidieren. Sie signalisiert, dass die Erholung des MSCI Welt seit nunmehr vier Quartalen mit einem Konsolidierungsquartal (schwarze Kerze) nicht nur mittelfristiger, sondern längerfristiger Natur ist mit der Folge, dass der MSCI Welt im Laufe des nächsten Jahres neue Höchstkurse erklimmen dürfte.

Könnte es nicht sein, dass die Zunahme des Momentums nur eine Jahresendrally ist?

Auf diese Idee kann man kommen, wenn man sich nur auf das Momentum konzentriert und die Marktbreite außer Acht lässt. Die Analyse der Marktbreite zeigt nämlich, dass sich die Zunahme des Momentums nicht nur auf die bisherigen Gewinner konzentriert. Das wäre typisch für eine Jahresendrally, bekannt als «Window-Dressing». Wie obige Ausführungen zeigen, ist das aber nicht der Fall.

Auch 2024 wird es zu Rückschlägen kommen, die die Marktbreite in Mitleidenschaft ziehen. Zwei Schritte vorwärts und ein Schritt zurück ist das gesunde Muster eines Trends. Es zeigt, dass Erwartungen gebildet und danach gehandelt wird und dass einmal getroffene Erwartungen eingeholt werden durch Tatsachen, die die Erwartungen überprüfen und neu justieren lassen.

Nicht alle Sektoren können gleichzeitig relativ stark sein. Somit wird es auch in Zukunft auf die relative Stärke und die Vermeidung relativ schwacher Sektoren und Industrien ankommen. Das ändert aber nichts daran, dass die mittlerweile vom Markt signalisierten Daten deutlich besseres erwarten lassen als der im gelben Feld markierte primäre Seitwärtstrend.


Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Alfons Cortés.

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Alfons Cortés

Alfons Cortés ist seit März 1971 professionell an der Börse unterwegs. Bis Juni 2017 war er Geschäftsführender Partner von UnifinanzTrust reg., Vaduz. Seit Juli 2017 ist er Senior Partner im Unternehmen und für den Bereich Research zuständig. Diesem hat er von Anbeginn seiner Tätigkeit an besonderes Augenmerk zukommen lassen. Daraus erwuchs die prominente Position des Unternehmens in der Anwendung von Behavioral-, Neuro- und Evolutionary Finance. Cortés hat nicht nur als Vermögensverwalter und Analyst, sondern auch als Mitglied von Anlageausschüssen institutioneller Anleger über Jahrzehnte Erfahrungen mit den Finanzmärkten gesammelt.

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